Die abhängige Persönlichkeitsstörung ist eine verborgene Störung, die oft im Schatten anderer psychischer Erkrankungen steht.
Vielleicht hast du schon einmal von ihr gehört oder kennst jemanden, der davon betroffen ist.
In diesem Artikel erhältst du einen umfassenden Überblick über das, was du über diese Störung wissen musst.
Wir werden uns mit der Definition, den Ursachen, Diagnosemethoden und Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen.
Außerdem werden wir uns ansehen, wie es ist, mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung zu leben und welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt.
Was ist eine abhängige Persönlichkeitsstörung?
Die abhängige Persönlichkeitsstörung, auch als dependente oder asthenische Persönlichkeitsstörung bekannt, ist eine psychische Erkrankung, die durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Pflege gekennzeichnet ist. Betroffene haben eine tief verwurzelte Angst vor Trennung und zeigen ein anklammerndes Verhalten, das oft zu Unterwürfigkeit führt. Sie sind stark auf andere Menschen angewiesen und haben Schwierigkeiten, eigenständige Entscheidungen zu treffen und ihr Leben selbst zu organisieren.
Charakteristika der abhängigen Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung sind oft unsicher und haben Angst davor, allein zu sein. Sie fühlen sich hilflos und unfähig, für sich selbst zu sorgen. Daher suchen sie ständig nach Beziehungen, die ihnen Sicherheit und Unterstützung bieten.
Übermäßige Abhängigkeit und Unterwürfigkeit
Die Abhängigkeit und Unterwürfigkeit zeigt sich oft in einem übermäßigen Bedürfnis nach Zustimmung und Unterstützung von anderen. Betroffene sind bereit, unangenehme Aufgaben zu übernehmen oder sich selbst zu vernachlässigen, um die Zuneigung und Versorgung anderer zu sichern.
Schwierigkeiten bei Entscheidungsfindung und Selbstorganisation
Betroffene haben oft Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen und ihr Leben selbst zu organisieren. Sie sind stark auf die Unterstützung anderer angewiesen und fühlen sich ohne diese Hilfe oft überfordert und hilflos.
Angst vor Trennung und Alleinsein
Die Angst vor Trennung und Alleinsein ist ein zentrales Merkmal der abhängigen Persönlichkeitsstörung. Betroffene haben oft eine ausgeprägte Trennungsangst und gehen schnell neue Beziehungen ein, um ihre empfundene Lebensfähigkeit zu sichern.
Anklammerndes Verhalten und Selbstzweifel
Das anklammernde Verhalten ist oft mit tief sitzenden Selbstzweifeln verbunden. Betroffene haben ein geringes Selbstwertgefühl und sind oft bereit, Demütigungen und Misshandlungen hinzunehmen, um nicht allein zu sein.
Ursachen der abhängigen Persönlichkeitsstörung
Die Ursachen der abhängigen Persönlichkeitsstörung sind vielfältig und komplex. Sie können in traumatischen Kindheitserfahrungen, kulturellen Faktoren und familiären Merkmalen sowie einer angeborenen Tendenz zur Ängstlichkeit liegen.
Traumatische Kindheitserfahrungen
Traumatische Erlebnisse in der Kindheit können eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der abhängigen Persönlichkeitsstörung spielen. Kinder, die emotionalen Missbrauch, Vernachlässigung oder ständige Kritik erlebt haben, können im Erwachsenenalter eine übermäßige Angst vor Ablehnung und Verlassenwerden entwickeln. Sie können lernen, dass sie nur dann Liebe und Anerkennung erhalten, wenn sie sich völlig den Bedürfnissen anderer unterordnen. Diese Muster können sich zu einer abhängigen Persönlichkeitsstörung auswachsen.
Kulturelle Faktoren und familiäre Merkmale
Auch kulturelle Faktoren und familiäre Merkmale können die Entwicklung einer abhängigen Persönlichkeitsstörung beeinflussen. In Familien, in denen Unterwürfigkeit und Unsicherheit hoch geschätzt werden, können Kinder lernen, dass Unabhängigkeit und Selbstbestimmung negative Konsequenzen haben. Sie können das Gefühl entwickeln, dass sie nur dann sicher und geliebt sind, wenn sie sich anderen unterordnen. In bestimmten Kulturen kann zudem ein hohes Maß an Abhängigkeit und Unterwürfigkeit als wünschenswert und normal angesehen werden, was die Entstehung einer abhängigen Persönlichkeitsstörung begünstigen kann.
Angeborene Tendenz zur Ängstlichkeit
Schließlich spielt auch eine angeborene Tendenz zur Ängstlichkeit eine Rolle bei der Entstehung der abhängigen Persönlichkeitsstörung. Menschen, die von Natur aus ängstlich und unsicher sind, können eher dazu neigen, sich an andere zu klammern und ihre Bedürfnisse über ihre eigenen zu stellen. Sie können eine tief sitzende Angst vor Ablehnung und Verlassenwerden entwickeln, die sie dazu bringt, sich in abhängigen und unterwürfigen Beziehungen zu verstricken.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder, der traumatische Kindheitserfahrungen gemacht hat, eine abhängige Persönlichkeitsstörung entwickelt. Genauso wenig führt jede angeborene Ängstlichkeit oder jedes familiäre Umfeld, das Unterwürfigkeit fördert, zwangsläufig zu dieser Störung. Es handelt sich um Risikofaktoren, nicht um direkte Ursachen. Die Entstehung einer abhängigen Persönlichkeitsstörung ist ein komplexer Prozess, der von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird.
Diagnose der abhängigen Persönlichkeitsstörung
Die Diagnose einer abhängigen Persönlichkeitsstörung ist ein mehrstufiger Prozess, der sowohl klinische Interviews als auch spezifische Diagnosekriterien umfasst. Es ist wichtig, diese Störung von anderen Persönlichkeitsstörungen abzugrenzen, um eine gezielte und effektive Behandlung zu ermöglichen.
Klinische Interviews und Fremdeinschätzung
Der erste Schritt in der Diagnose einer abhängigen Persönlichkeitsstörung besteht in der Regel aus klinischen Interviews. Dabei kommen häufig standardisierte Interviews wie das SKID-II (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV) oder das IPDE (Internationale Persönlichkeitsstörungsuntersuchung) zum Einsatz. Diese Interviews helfen dabei, das Ausmaß und die Art der Symptome zu ermitteln und die Störung von anderen psychischen Erkrankungen abzugrenzen.
Die Fremdeinschätzung ist ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Diagnose. Sie kann besonders hilfreich sein, da Menschen mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung oft Schwierigkeiten haben, ihr eigenes Verhalten und ihre Gefühle objektiv zu beurteilen. Durch die Einbeziehung von Familienmitgliedern, Partnern oder engen Freunden in den Diagnoseprozess können zusätzliche Perspektiven und Informationen gewonnen werden, die für eine genaue Diagnose nützlich sind.
Spezifische Kriterien im ICD-10 und DSM-5
Neben den klinischen Interviews und der Fremdeinschätzung spielen auch die spezifischen Diagnosekriterien eine entscheidende Rolle. Die abhängige Persönlichkeitsstörung ist sowohl im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) als auch im DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) aufgeführt, den beiden wichtigsten Klassifikationssystemen für psychische Störungen.
Im ICD-10 sind die Hauptkriterien für eine abhängige Persönlichkeitsstörung unter anderem ein übermäßiges Bedürfnis, versorgt zu werden, eine Angst vor Trennung und die Unfähigkeit, alltägliche Entscheidungen ohne Rat oder Zustimmung anderer zu treffen. Im DSM-5 sind die Kriterien ähnlich, wobei zusätzlich auch ein Mangel an Selbstvertrauen und die Angst vor Kritik und Ablehnung hervorgehoben werden.
Die genaue Diagnose einer abhängigen Persönlichkeitsstörung erfordert somit eine umfassende Beurteilung und sollte immer von einem qualifizierten Fachmann oder einer Fachfrau durchgeführt werden. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass eine Diagnose nicht das Ende, sondern der Beginn eines Weges ist – ein Weg, der mit der richtigen Unterstützung und Behandlung zu einem erfüllteren und unabhängigeren Leben führen kann.
Behandlungsmethoden für die abhängige Persönlichkeitsstörung
Die Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung ist ein vielschichtiger Prozess, der verschiedene Methoden und Ziele umfasst. Es ist wichtig zu verstehen, dass jede Person einzigartig ist und daher eine individuell angepasste Behandlung benötigt.
Psychotherapie als Hauptbehandlungsmethode
Die Psychotherapie ist die Hauptbehandlungsmethode für Menschen mit abhängiger Persönlichkeitsstörung. Der Grund dafür ist, dass diese Therapieform den Betroffenen hilft, ihre Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und zu verändern. Es gibt verschiedene Therapieansätze, die in der Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung Anwendung finden.
Kognitive Verhaltenstherapie
Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine wirksame Methode zur Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung. Sie zielt darauf ab, die sozialen Fähigkeiten der Betroffenen zu verbessern und ihre Überzeugungen von Unfähigkeit und Hilflosigkeit zu hinterfragen. Durch gezielte Übungen und Gespräche lernen die Betroffenen, ihre Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
Psychoanalytische und tiefenpsychologisch-fundierte Therapien
Psychoanalytische und tiefenpsychologisch-fundierte Therapien können ebenfalls hilfreich sein. Diese Therapieformen adressieren unbewusste Konflikte aus der Kindheit und fördern die Wahrnehmung eigener Wünsche und Stärken. Sie helfen Betroffenen, ihre Ängste und Unsicherheiten zu verstehen und zu bewältigen.
Gruppentherapie
Die Gruppentherapie bietet den Vorteil, dass Betroffene sich gegenseitig unterstützen und voneinander lernen können. Sie bietet Modelle für selbstsicheres Verhalten und Problemlösung und kann dazu beitragen, das Selbstwertgefühl und die Selbständigkeit der Betroffenen zu stärken.
Medikamentöse Unterstützung
In einigen Fällen kann eine medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein, insbesondere bei gleichzeitiger Depression. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass langfristige Verbesserungen meist nur durch Psychotherapie, nicht allein durch Medikamente, zu erreichen sind. Medikamente können die Symptome lindern, aber die zugrundeliegenden Probleme müssen in der Therapie bearbeitet werden.
Die Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung ist ein langfristiger Prozess. Es ist wichtig, Geduld zu haben und sich selbst nicht zu hart zu beurteilen. Jeder Schritt, den du machst, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Leben mit abhängiger Persönlichkeitsstörung
Die abhängige Persönlichkeitsstörung kann das tägliche Leben und die Beziehungen der Betroffenen stark beeinflussen. Die Auswirkungen sind vielfältig und reichen von Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung bis hin zu starken Ängsten vor Trennung und Alleinsein.
Auswirkungen auf das tägliche Leben und Beziehungen
Im täglichen Leben äußert sich die abhängige Persönlichkeitsstörung oft durch eine starke Unsicherheit und Hilflosigkeit. Betroffene fühlen sich oft überfordert mit alltäglichen Aufgaben und Entscheidungen. Sie sind ständig auf der Suche nach Bestätigung und Unterstützung von anderen. In Beziehungen kann dies zu einer starken Abhängigkeit und Unterwürfigkeit führen. Betroffene nehmen oft unangenehme Aufgaben auf sich, um die Zuneigung und Fürsorge der anderen Person zu sichern. Sie haben Angst vor Ablehnung und Trennung und neigen dazu, schnell neue Beziehungen einzugehen, um die empfundene Lebensfähigkeit zu sichern.
Umgang mit Herausforderungen und Anforderungen
Der Umgang mit Herausforderungen und Anforderungen ist für Menschen mit abhängiger Persönlichkeitsstörung oft besonders schwierig. Sie fühlen sich schnell überfordert und hilflos, vor allem wenn sie Entscheidungen treffen oder Verantwortung übernehmen müssen. Oft wird die Störung erst richtig sichtbar, wenn eine wichtige Bezugsperson wegfällt und die Betroffenen plötzlich auf sich allein gestellt sind. Dann kommen die tief sitzenden Ängste und Unsicherheiten zum Vorschein, und die Betroffenen fühlen sich oft völlig hilflos und überfordert.
Unterstützung für Betroffene und ihre Angehörigen
Für Betroffene und ihre Angehörigen gibt es verschiedene Unterstützungsangebote und -maßnahmen. Psychotherapie ist oft die wichtigste Behandlungsmethode. Sie hilft den Betroffenen, ihre Ängste und Unsicherheiten zu überwinden und selbstständiger zu werden. Dabei kann es sehr hilfreich sein, wenn nahestehende Personen in die Therapie einbezogen werden. Sie können die Betroffenen unterstützen und ihnen helfen, neue Verhaltensweisen zu erlernen und zu üben. Zudem können sie lernen, besser mit der Störung umzugehen und die Betroffenen nicht in ihrer Abhängigkeit zu bestärken.
Fazit
Die abhängige Persönlichkeitsstörung ist eine komplexe und oft missverstandene psychische Erkrankung, die das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen kann. Sie ist durch ein Muster von übermäßiger Abhängigkeit und Unterwürfigkeit gekennzeichnet, das sich in Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, Angst vor Trennung und Alleinsein, anklammerndem Verhalten und Selbstzweifeln äußert.
Die Ursachen der abhängigen Persönlichkeitsstörung können vielfältig sein, darunter traumatische Kindheitserfahrungen, kulturelle Faktoren und familiäre Merkmale sowie eine angeborene Tendenz zur Ängstlichkeit. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch klinische Interviews und Fremdeinschätzung, wobei spezifische Kriterien im ICD-10 und DSM-5 herangezogen werden.
Die Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung ist in erster Linie psychotherapeutisch, wobei kognitive Verhaltenstherapie, psychoanalytische und tiefenpsychologisch-fundierte Therapien sowie Gruppentherapie zum Einsatz kommen können. Eine medikamentöse Unterstützung kann bei gleichzeitiger Depression sinnvoll sein, allerdings sind langfristige Verbesserungen meist nur durch Psychotherapie zu erreichen.
Das Leben mit einer abhängigen Persönlichkeitsstörung kann viele Herausforderungen mit sich bringen, sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen. Es ist daher wichtig, Unterstützung zu suchen und sich über die Erkrankung zu informieren.
Abschließend möchte ich betonen, dass eine abhängige Persönlichkeitsstörung kein Urteil ist, sondern eine Herausforderung, die mit der richtigen Unterstützung und Behandlung bewältigt werden kann. Es ist wichtig, sich nicht zu schämen oder sich selbst die Schuld zu geben, sondern sich Hilfe zu suchen und den Weg zur Heilung zu beschreiten. Du bist nicht allein und es gibt Hilfe und Hoffnung.
FAQ zur abhängigen Persönlichkeitsstörung
In diesem Abschnitt möchte ich einige häufig gestellte Fragen zur abhängigen Persönlichkeitsstörung beantworten.
Wie häufig ist die abhängige Persönlichkeitsstörung?
Die abhängige Persönlichkeitsstörung trifft etwa 0,5 bis 1 Prozent der Bevölkerung, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer.
Welche Komorbiditäten treten häufig bei der abhängigen Persönlichkeitsstörung auf?
Häufig tritt die abhängige Persönlichkeitsstörung zusammen mit anderen Angststörungen, Depressionen oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung auf.
Wie wirkt sich die abhängige Persönlichkeitsstörung auf das Selbstwertgefühl aus?
Menschen mit abhängiger Persönlichkeitsstörung neigen dazu, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen, haben oft ein geringes Selbstwertgefühl und interpretieren Kritik als Beweis ihrer Inkompetenz.
Welche Rolle spielt die Psychotherapie bei der Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung?
Psychotherapie spielt eine zentrale Rolle in der Behandlung der abhängigen Persönlichkeitsstörung und ist oft erfolgreicher als bei anderen Persönlichkeitsstörungen.
Kann die abhängige Persönlichkeitsstörung mit Medikamenten behandelt werden?
Eine medikamentöse Unterstützung kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein, allerdings sind langfristige Verbesserungen meist nur durch Psychotherapie zu erreichen.